Der deutsche Pavillon Venedig 2019

Nach der Leistungsschau der Großkunst von Ralph Rugoffs Ausstellung im Arsenale und im Hauptpavillon in den Giardini ist es ganz sympathisch, dass die Künstlerin Natascha Sadr Haghighian (geboren 1967 in Teheran) für den deutschen Pavillon jegliches Name-Droppping und eitle Zurschaustellung unterbindet. Sie verschwindet hinter ihrem Pseudonym Natascha Süder Happelmann und einem Pappmasché-Stein. Sie stellt die Arbeit des Kollektivs heraus, das zusammen mit der Kuratorin Franciska Zólyom in anderthalb jähriger Arbeit einen doch etwas freudlosen, schlichten aber ehrlichen, politisch engagierten Pavillon gezimmert hat.

Helene Duldung und Natascha Süder Happelmann

Während man bei den deutschen Nachbarn, den Briten und Franzosen endlos Schlage stehen muss, um in deren Weihehallen der Kunst zu gelangen, erscheint der deutsche Pavillon wie zugenagelt, vor der Tür liegt welkes Laub. Man betritt das Innere durch die Seitentür, was aber einige Besucher doch wohl irritiert hat und sie weiterzogen zu spektakuläreren Kunstbauten. Die dann doch reingingen, waren auch schnell wieder draußen. Eine Stapel Gerüststangen mit einem Tomatenplakat, eine große graue Wand, ein paar Steine erwarten den Besucher. Für die Audioinstallation, wo das Pfeifen von Flüchtlingen, die sich vor der Polizei warnen, verarbeitet wurde, hätte man mehr Zeit gebraucht, aber die Aufmerksamkeitsspanne lag bei den meisten gestressten Biennale-Besuchern im unteren Bereich. Man musste schließlich weiter, um sich in die Schlange bei den Briten einzureihen.

Der deutsche Pavillon als moralische Anstalt

Der deutsche Außenminister Heiko Maas kam zur Eröffnung und hat in seiner Rede auf Flucht und Vertreibung, das brennenden Thema unserer Zeit hingewiesen. Den Flüchtlingen hat sich der deutsche Beitrag zugewandt. Und wenn man den deutschen Pavillon als Schaubühne betrachtet, dann kommt einen der junge Schiller in den Sinn. In seiner Rede „Schaubühne als eine moralische Anstalt“ betrachtet aus dem Jahr 1784 wollte Schiller darauf aufmerksam machen, dass Theater auch auf sittliche Einstellungen der Besucher intellektuell, moralisch und emotional einwirkt. Es erzieht und belehrt den Menschen durch die Vorführung der mannigfaltigen menschlichen Tugenden, Torheiten, Leiden und Laster, sie „schützt sein Herz gegen Schwächen“ und belohnt ihn „mit einem herrlichen Zuwachs an Mut und Erfahrung“, „Menschlichkeit und Duldung“. Mit seiner Rede wollte Schiller sich als Sekretär bei der kurpfälzischen Deutschen Gesellschaft als Sekretär bewerben. Die Stelle hat er nicht bekommen.

Text: Marianne Kapfer

Fotos: Gabor A. Nagy, Marianne Kapfer